Zu klein, um groß zu werden?

Die internationalen Märkte sind für kleine und mittlere Unternehmen eine große Herausforderung: Einerseits können sie ihr Wachstum oft nur durch Exporte signifikant steigern, gleichzeitig aber verfügen sie kaum über die nötigen Ressourcen, um auf allen Märkten mitzuspielen. ROPEX behauptet sich in diesem Spannungsfeld seit vielen Jahren.

Die Anreise zu Dienstreisen ins Ausland legen Jochen Kühner und Michael Bischoff meist auf das Wochenende. „Dann verpassen wir nicht so viel vom Tagesgeschäft unter der Woche“, sagt Bischoff, einer der beiden Geschäftsführer der Ropex Industrie-Elektronik GmbH. „Wir wollen die Kunden vor der eigenen Haustür gut betreuen, aber trotzdem auch in die internationalen Märkte wachsen.“

Schritt für Schritt ist das Unternehmen bislang gewachsen, zunächst in Europa, dann in Nordamerika. Aktuell wird die Expansion in China forciert. „Wir folgten dabei zumeist unseren Kunden in neue Märkte. Im zweiten Schritt bauten wir dann vor Ort auch eigene Vertriebsstrukturen auf“, erklärt Jochen Kühner.

Momentan schaut er vor allem auf die Region Asien/Pazifik. Makroskopische Trends wie die Urbanisierung, sich verändernde Hygieneansprüche, das Bevölkerungs- und Wohlstandswachstum, die Höherwertigkeit von Produkten und die Verschärfung gesetzlicher und industrieller Standards lässt dort den Bedarf an hochwertigen Verpackungen überproportional ansteigen. Damit wächst auch die Nachfrage an qualitativ hochwertigen Schweißnähten. Verstärkt wird dies laut Kühner noch durch einen weitere Entwicklung: „Wir beobachten weltweit eine Zunahme von immer komplexeren Verpackungen, mit komplizierter Geometrie und hohen ästhetischen Ansprüchen.“

„Am Wirtschaftsstandort Stuttgart ist der Wettbewerb um Fachkräfte extrem hoch, da müssen wir uns gegen große Konzerne behaupten.“

Knappe Ressource: Fachpersonal

Die Aussichten sind demnach vielversprechend. Um diese Potentiale aber auch heben zu können, müssen sich kleine mittelständische Unternehmen wie ROPEX zunächst mit der Realität ihrer knapper Ressourcen und steigenden Herausforderungen auseinandersetzen. Das betrifft nach Aussage von Michael Bischoff zum Beispiel das Thema Fachpersonal: „Am Wirtschaftsstandort Stuttgart ist der Wettbewerb um Fachkräfte extrem hoch, da müssen wir uns gegen große Konzerne behaupten.“ Vor allem bei Kompetenzen wie Kunden-Engineering und Softwareentwicklung, die auf stark umworbene Hochschulabgänger zugeschnitten sind, ist die Konkurrenz groß. Bei ROPEX sind diese Experten zudem sehr intensiv in das Tagesgeschäft mit den Kunden involviert und verfügen kaum über Kapazitäten, um auch noch einen internationalen Wachstumsprozess zu forcieren. 

Diese schlanken Personalstrukturen sind typisch für eigentümergeführte Unternehmen in Familienhand, denn häufig übernehmen die Gründer viele Aufgaben, für die in anderen Firmen Stellen geschaffen würden. „Eine konsequente doppelte Besetzung gibt die Größe des Unternehmens aber oft auch einfach nicht her“, sagt Jochen Kühner. „Und wenn doch, ist es für uns als kleines Unternehmen nicht einfach, geeignete Kandidaten mit den nötigen Qualifikationen und realistischen Gehaltsvorstellungen zu bekommen.“

Wie also wachsen? Wenn man es allein nicht schafft, dann geht es nur mit guten Partnern. In Nordamerika etabliert sich ROPEX mit dieser Strategie seit der Jahrtausendwende sehr erfolgreich. Fast jeder zehnte Euro Umsatz wird heute in Übersee erwirtschaftet.

In Asien steht man dagegen noch am Anfang. „Wir suchen dort erfahrene Marktkontakte, die für uns als Partner in Frage kommen könnten“, erklärt Bischoff. Ende 2017 reisten er und Kühner aus diesem Grund nach Hongkong und China. Sie sprachen vor Ort mit den führenden Händlern in ihrem Technologiesegment, aber auch mit Einzelunternehmern oder noch kleinen, sehr jungen Unternehmen. „Uns überzeugten vor allem diese kleinen Händler, die noch hungrig sind und mit uns gemeinsam etwas aufbauen wollen. Die Auswahl ist aber schwierig, die Zahl der Interessenten ist groß, man wird überall hofiert – da muss man schon sehr genau schauen, um den Richtigen zu finden“, berichtet Kühner.

Für Bischoff und Kühner zählen bei dieser Entscheidung neben dem Verständnis der Technologie auch die charakterliche Eignung, etwa die Integrität, Loyalität und der Wille zum Erfolg. „Wir fragen auch, wie oft sie Messen, Branchenevents und Konferenzen besuchen, um daraus abzuleiten, wie innovativ und lernbereit sie sind“, sagt Kühner.

Produkte mit Erklärungsbedarf

Eine weitere große Herausforderung für die internationale Expansion sind für ROPEX die hochkomplexen Technologien hinter ihren Produkten. „Eine Folienschweißschiene ist in vielerlei Hinsicht erklärungsbedürftig, die verkauft man nicht einfach so“, sagt Kühner.

Kunden und Händler müssen im Gebrauch der Schweißwerkzeuge geschult werden. ROPEX bietet seinen Vertriebspartnern auch regelmäßige Weiterbildungen an, damit diese stets auf dem neuesten Stand der Technik sind. Dieses Wissen ist Voraussetzung dafür, dass die komplexen Produkte beim Kunden optimal eingesetzt werden. Nur so können sie die maximale Leistung und bestmögliche Qualität liefern, vor allem aber auch selbst keinen Schaden nehmen.

Einige Produktreihen werden beispielsweise mit keramischen Oberflächen gefertigt. Das verlangt einen sachgerechten Einsatz, ein hohes Qualitätsbewusstsein und eine besondere Wertschätzung für das Produkt. Eine unsachgemäße Anwendung könnte die sensible Technologie schnell beschädigen.

Klar ist aber auch, dass ROPEX ein Premiumsegment bedient, das auf diesem Niveau in Märkten wie China oder Indien nicht immer nachgefragt wird. Wer dort wachsen will, muss auch Produkte für ein Einstiegssegment liefern. „Das Vereinfachen hochentwickelter Technologien ist auch für uns ein Thema“, sagt Bischoff. Er meint damit, dass hochkomplexe Produkte sprichwörtlich etwas abgespeckt werden können, sie mit weniger Eigenschaften und vielleicht einem geringeren Leistungsspektrum angeboten werden, dafür aber zu einem wettbewerbsfähigen Preis.

"Wissen ist Voraussetzung dafür, dass die komplexen Produkte beim Kunden optimal eingesetzt werden."

Neue Optionen

Eine zusätzliche Option in der Wachstumsstrategie bietet sich, seitdem Obermark Eigentümer des Unternehmens ist. Kühner und Bischoff können seither auch stärker über das Thema Zukäufe nachdenken. „Obermark unterstützt uns dabei nicht nur mit Kapital, sondern vor allem auch mit Expertise“, sagt Bischoff, „Uns stehen Fachleute der Obermark zur Seite, die sich mit Übernahmen auskennen, Bilanzen verstehen, Verträge prüfen und Finanzierungen aufstellen.“ Über dieses Knowhow verfügen kleine Familienunternehmen nur selten, entsprechend schwer fallen ihnen Entscheidungen, die zu erfolgreichen Akquisitionen führen können.